Musik & Nachhaltigkeit, Folge 3: Welche Auswirkungen hat Streaming auf die Umwelt?
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Den meisten Menschen dürfte nicht bewusst sein, dass auch Musik-Streaming Auswirkungen auf die Umwelt hat. Sie drücken einfach Play. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz beschäftigen jedoch die gesamte Medienbranche – insbesondere den Streaming-Sektor.
Musik zu hören war noch nie einfacher. Trotz der Vinyl-Renaissance und der Suche nach neuen Verfahren für ein umweltfreundlicheres Musik-Business geben Musikfans mittlerweile ihr Geld anders aus – für digitale Inhalte. Das ist preisgünstiger und praktischer.
Die vergangenen Jahre waren nicht leicht – in Europa und dem Rest der Welt. Covid, Lockdowns, der Angriff Russlands auf die Ukraine, verbunden mit den sozioökonomischen Auswirkungen und die andauernde, immer drastischere Umweltkrise. All diese Dinge wirken sich auf vielfältige Weise auf uns und unser Leben aus. Das betrifft auch die Art und Weise, wie wir Musik konsumieren. Ja, Binge-Watching-Plattformen haben im Lockdown geboomt. Die Auswirkungen auf das Musikstreamen waren jedoch weniger ausgeprägt. Wir sind nicht mehr gependelt. Ob zwischen Zuhause und Arbeitsplatz oder zwischendurch noch zum Fitnessstudio: Unsere Routinen haben sich verändert, sind weggefallen. Das hatte Auswirkungen auf unser Musikhören. Die Zukunft für Musikstreaming-Unternehmen sieht dennoch rosig aus:Laut einer Erhebung von Statista aus dem November 2022 wird der Umsatz im Musik-Sstreaming in Europa 2023 voraussichtlich 3,94 Mrd. € erreichen, und die Zahl der Nutzer*innen bis 2027 auf rund 165 Millionen steigen.
Die Unternehmen werden gewinnen. Aber was ist mit der Umwelt?
Wirtschaftlich legitim? Bestimmt. Aber auch ethisch vertretbar?
Musik-Streaming ist im Wesentlichen eine Übertragung von Daten. Das Fehlen eines physischen Produkts bedeutet jedoch nicht, dass das Streamen kein Energie verbraucht wird. Endgeräte und Server haben auch einen ökologischen Fußabdruck.
Bereits 2015 veröffentlichte Greenpeace den Bericht „Clicking Clean: A Guide to Building the Green Internet“, in der Unternehmen hinsichtlich des Ausmaßes des Energieverbrauchs ihrer IT-Infrastruktur bewertet wurden. Zu diesem Zeitpunkt gab es unter den großen Streaming-Anbietern (Spotify, Pandora, SoundCloud) nur bei iTunes von Apple vollständige Transparenz über den Energieverbrauch. Spulen wir vor ins Jahr 2023: Das Streamen von Musik wird immer beliebter, während die CO2-Emissionen steigen und zur globalen Erwärmung beitragen.
Die wichtigsten Akteure auf dem Musik-Streaming-Markt in Europa sind Spotify, Amazon, Apple, Deezer, Google (Eigentümer von YouTube), Qobuz, SoundCloud und Tidal. Die Unternehmen haben die ethische Verpflichtung – und auch die Möglichkeit –, zur Verringerung des digitalen Fußabdrucks beizutragen, insbesondere wenn es um den anhaltenden Trend geht, beim Musikhören auch Videos zu konsumieren. Die Umweltauswirkungen im Bereich Video-Streaming lassen sich nur schwer abschätzen, vor allem, weil es auf vielen unterschiedlichen Geräten stattfindet. Beispiel: Das Streaming einer hochauflösenden Kopie eines zehnminütigen Musikvideos (500 MB) verbraucht etwa 2,5 kWh. Das entspricht in etwa dem Trocknen einer Ladung Wäsche für fast eine Stunde. Und YouTube – mit mehr als einer Milliarde Viewing-Stunden pro Tag – würde mehr als 600 TWh pro Jahr (2,5 % des weltweiten Stromverbrauchs) benaspruchen. Das ist in etwa die Menge an Energie, die in das schwedische Energiesystem eingespeist wird. Und das ist viel.
Der belgische Botschafter des European Climate Pact, Frédéric Donck, Präsident von Digital Goes Green – einer Nichtregierungsorganisation, die sich für die Neugestaltung digitaler Dienste mit einer ökologischen Denkweise einsetzt –, erklärte : „Eine Möglichkeit wäre, das Nutzungsverhalten zu untersuchen und herauszufinden, wer Videostreaming-Dienste nutzt, nur um Musik zu hören. Wenn Sie diese Nutzer*innen identifizieren können, haben Sie die Möglichkeit, nur die Musik abzuspielen und die Videos nicht anzuzeigen.” Aber es geht nicht nur um das Streamen von Videomusik. Das Herunterladen und Streamen von Audiodateien erfordert letztlich die gleiche Menge an Energie. Ist der Song jedoch erst einmal heruntergeladen, benötigt man weniger Energie, um ihn erneut abzuspielen, während das erneute Abspielen eines gestreamten Titels die gleiche Energiemenge erforderlich macht wie beim ersten Mal.
Auf der Suche nach Lösungen
Fangen wir mit den guten Nachrichten an: Dank des Musik-Streamings hat die Musikbranche ihren Beitrag zum Problem des Plastikmülls effektiv verringert. Aber das ist nicht das einzige Thema. Es hängt alles davon ab, ob wir alle tatsächlich bereit sind, unsere Internetaktivitäten zu reduzieren, um Energie zu sparen und die Umwelt zu schonen. Es ist jedoch alles eine Frage der Gesetzgebung. Das Monitoring unserer persönlichen Streaming-Accounts wird das Problem nicht lösen. Persönliches Engagement ist wichtig, kann aber auch die Aufmerksamkeit von sinnvollen politischen Maßnahmen ablenken. Die Unternehmen müssen sich kümmern. Und sie müssen transparenter werden.
Die gute Seite ist: Das Unternehmen Zero Carbon aus Deutschland hat es sich zum Ziel gesetzt, eine komplett nachhaltige Streaming-Plattform ohne CO2-Emissionen aus Daten- und Cloud-Zentren aufzubauen und damit einen positiven Beitrag zu leisten. Greening For Streaming, mit Sitz in Großbritannien ist ein Verband, der die Branche zusammenbringt, um ein gemeinsames Konzept für eine ganzheitliche Energieeffizienz in der technischen Lieferkette zu entwickeln, die den Streaming-Diensten zugrunde liegt. Auch Vilvit schlägt den Aufbau eines globalen Musik-Repository vor, so dass alle Musik-Streamingdienste auf eine einzige energieeffiziente Quelle zugreifen können. Das Unternehmen befindet sich noch in der Planungsphase und wird laut Website eine Mischform aus Non-Profit- und For-Profit-Elementen darstellen.
Auch bei den großen Anbietern von Musik-Streaming scheinen Maßnahmen ergriffen worden zu sein. Wie wirksam sie sind, bleibt abzuwarten.. Spotify gibt an, im Jahr 2021 353.054 Tonnen CO2 Konzern-weit emittiert wurden. 42 % der Treibhausgas-Emissionen fallen dabei auf das faktische Streaming. Um die Umweltbelastung durch die Aktivitäten der Nutzer*innen zu verringern, setzt sich das Unternehmen auf Offset-Initiativen. In seinem Umweltbericht 2021 stellt Apple fest, dass der ökologische Fußabdruck des Unternehmens seit 2015 um 40 % gesunken ist, und plant, bis 2030 klimaneutral zu werden. Bedingt durch ein zunehmendes Bewusstsein sind die Unternehmen motiviert, nachhaltigere Geschäftspraktiken anzuwenden, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen und die Musikbranche dabei zu unterstützen, so klimaneutral wie möglich zu sein.