Das sanfte Glühen des neoklassischen Kammerpops
Das ruhige, winterliche Wetter der letzten Zeit war ideal für tiefere Streifzüge in ruhigere Klanglandschaften. Und trotz des Ruhms, den die Stadt für ihre härtere elektronische Szene genießt, wächst Berlins Bekanntheit für die beruhigenden Klänge des neoklassischen Bedroom-Pop, dank einer Fülle von talentierten, jüngeren Musikern.
Die einzigartige Situation Berlins, in der sowohl die klassische als auch die elektronische Szene problemlos koexistieren, hat dazu beigetragen, dass die moderne, neoklassische Musik wachsen konnte. Künstler haben hier Zugang sowohl zu klassischen als auch zu elektronischen Ressourcen und die Möglichkeit, an einer Vielzahl von Veranstaltungsorten aufzutreten.
In der Welt der Neoklassik hat der gebürtige Berliner Nils Frahm einen beispiellosen Einfluss auf die lokale Szene. Doch seine Arbeit allein macht die lokale Szene nicht aus. Die Stadt ist voll von talentierten klassischen Künstlern, eine Mischung aus denen, die zu DDR-Zeiten aufgewachsen sind, bis hin zu denen, die die Stadt erst kürzlich zu ihrer Heimat gemacht haben.
Das vergangene Jahr war das bisher stärkste für Berlins Neoklassik-Gemeinde, in dem eine erstaunliche Anzahl von Alben veröffentlicht wurde. Unter diesen Veröffentlichungen gab es Musik vom Potsdamer Duo CEEYS, die das Album Hausmusik bei Neue Meister herausbrachten; Lambert veröffentlichte den kollaborativen Opus False bei Mercury KX, Ben Lukas Boysen brachte Mirage bei Erased Tapes heraus, und der isländische Komponist Viktor Orri Árnason veröffentlichte VAST bei Bedroom Community. Und natürlich nicht zu vergessen die beiden LPs, die Nils Frahm selbst veröffentlicht hat.
Der Berliner Niklas Paschburg und die polnische Komponistin Hania Rani helfen dabei, die sanften klanglichen Ebenen von Kammermusik und Pop zu verschmelzen. Der klassische Komponist Paschburg, der ursprünglich aus Hamburg stammt, veröffentlichte letztes Jahr seine zweite LP Svalbard auf !7K, auf die kurz darauf die kollaborative Single „Bathing in Blue” folgte.
Die Single, eine Überarbeitung des Originaltitels aus der Albumveröffentlichung, featured die britische Sängerin Millie Turner und entstand, als Paschburg aktiv nach einer Sängerin für eine Zusammenarbeit suchte. „Ich habe mich sofort in die Stimme verliebt”, sagt Paschburg über die Entdeckung. „Wir haben ihr einfach den Track mit ein paar Notizen geschickt, und sie hat ihn gleich beim ersten Take genagelt.“
Jetzt, wo er viel Zeit hat, arbeitet der Produzent und Komponist aktiv an seinem nächsten Album, ein Projekt, das von seinen jüngsten Erfahrungen beeinflusst ist. „Ich habe definitiv das Gefühl, dass ein paar Sänger*innen drauf zu hören sein werden”, sagt er über die bevorstehende Veröffentlichung, „und das nur, weil es mit Millie Turner so gut lief.”
Diese Art der paneuropäischen Zusammenarbeit war in letzter Zeit ein Grund zum Feiern für das Europavox-Team. Auch die in Berlin lebende polnische Komponistin Hania Rani hat damit experimentiert, denn sie wartet auf die Veröffentlichung ihrer gemeinsamen EP mit den Gondwana Records-Labelkollegen Portico Quartet.
Rani wandelt seit Jahren in den Gewässern unterschiedlicher Musikstile und kombiniert mit großem Erfolg Klassik und Pop. Letztes Jahr veröffentlichte die Komponistin und Pianistin ihr zweites Album bei Gondwana Records mit dem Titel Home, eine Platte, die auf ihren Immigrationsstatus anspielt, nachdem sie aus der polnischen in die deutsche Hauptstadt gezogen ist. Nach der Veröffentlichung des Albums entschied sich die polnische Sängerin, sich mit Portico Quartert zusammenzutun, um ein Album zu veröffentlichen, bei dem die beiden Acts neue Wege gehen und die Songs des jeweils anderen zu remixen.
„Ich denke, das Interessanteste an solchen Projekten, und meiner Meinung nach an der Arbeit an Musik im Allgemeinen, ist der Prozess, neue Lösungen zu finden”, erklärt sie im Gespräch mit Europavox über die bevorstehende Platte. „Die Fähigkeit, über die Gewohnheit und die vertrauten Muster hinauszugehen, eine andere Struktur, eine andere Erzählung, eine andere Art zu denken zu betrachten.”