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Rumänischer Post-Punk: Die Zukunft, an der wir noch bauen

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Rumänischer Post-Punk: Die Zukunft, an der wir noch bauen

Als ich an der Uni angenommen wurde, konnte ich es kaum erwarten, nach Bukarest, der Hauptstadt Rumäniens, zu ziehen und meine – wie mir schien – kleine und uninteressante Heimatstadt hinter mir zu lassen. Was ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Craiova – eben diese Stadt – war eines der wenigen Schlachtfelder der kulturellen Revolution. Hier begann die lokale Punk-Bewegung.

Das ist zunächst keine Überraschung. Die meisten Erzählungen aus Rumänien dieser Zeit berichten vom rock- und volksmusikalischen Widerstand, der durch die Nachwehen der Revolution von 1989 und der angeblichen Befreiung romantisiert wurde. Klassenkampf und soziale Ungleichheiten aber waren noch lange nicht vorbei.

Vor diesem Hintergrund nahm der Punk in Timișoara seinen Anfang, der gleichen Stadt, in der auch die erste Runde der Revolution ausgefochten wurde. Kurze Zeit später entstanden in Craiova Bands wie Terror Art und Antipro. Als diese Bewegung in Rumänien entstand, standen keine Plattenlabels Schlange, um Künstler*innen unter Vertrag zu nehmen –  anders als in den westlichen Nachbarländern, wo das Genre florierte und einige Acts sogar ihre normverändernde Exzentrik gegen eine kommerzielle Formel eintauschten.

Obwohl sich die Punks schon vor der Wende in Kellern trafen, stellte der rumänische Geheimdienst sicher, dass ihre Ideen genau dort blieben und den Untergrund nicht verließen. Doch die Subkultur gewann in den 1990er-Jahren immer mehr Anhänger, brachte Zines wie Revolta Punk (The Punk Uprising) und Love Kills hervor, prostete der Nonkonformität zu und protestierte gegen Faschismus, Nationalismus und den Irakkrieg.

Dieses historische Fragment wird aktuell in der Ausstellung in der Rezidența BRD Scena9 in Bukarest dokumentiert. Kuratiert von Mihai Laurențiu Fuiorea (Gründungsmitglied von Terror Art) und Raluca Oancea, wird hier der Punk der 90er- und frühen Nuller-Jahre aufgearbeitet – anhand von Archivdokumenten und Arbeiten zeitgenössischer Künstler*innen, die von der Bewegung beeinflusst wurden.

Bildnachweis: Rezidența BRD Scena9

Nostalgie ist vielschichtig. Das aufblühende Interesse an Punk und Post-Punk ist ein zweischneidiges Schwert, wenn man sich daran erinnert, dass deren wichtigster ideologischer Pfeiler war, Dinge nicht zu wiederholen. Die generelle Idee war, nach dem Neuen zu greifen und das Alte hinter sich zu lassen. Auffällig ist, dass dies heute nicht mehr der Fall ist,. Die einen klammern sich an die Vergangenheit, während die anderen keine Gegenwart oder Zukunft mehr wahrnehmen können.

Derzeit verkörpern Bands wie Bastos, Las Poftas, The Nuggers, aber auch Zimbru (hört euch The Ground an, eine wiedergefundene Liebe und Wertschätzung der Natur, eine Erinnerung an die andauernde Umweltkrise), Lucia (hört euch Food Chain an, eine subtile Kritik am Establishment, das die Menschen ihrer Menschlichkeit beraubt), Balkan Taksim (hört euch Zalina an, eine Hommage an die Vielfalt und die kulturellen Einflüsse, die den rumänischen Musikraum definieren) den Post-Punk-Geist. Sie alle sind dabei, die unvollendete musikalische Rebellion des Punk umzusetzen, indem sie ihre Feindseligkeit gegenüber Strukturen zur Schau stellen und neue Perspektiven erkunden, wobei sie Pop, Disco, Elektronik und traditionelle Elemente in ihre Musik integrieren.

Der Moment, in dem sich die Band, die einst „NO FUTURE!“ sang, auflöste, markierte die Geburtsstunde des Post-Punk. Heute bauen wir unsere Welt erneut auf – Stück für Stück, Stein für Stein. Musik spielt dabei eine entscheidende Rolle. Sie reflektiert die Vergangenheit – und ist immer noch das Sprachrohr der Straße.

Le punk est mort, vive le punk!