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Der Aufstieg der italienischen (T)Rapperinnen

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Der Aufstieg der italienischen (T)Rapperinnen

2006 beklagte Chuck D von Public Enemy, dass es um den HipHop nicht gut bestellt sei. Worauf stützte sich die harsche Kritik des Pioniers? „Es gibt zu wenig Platz für Frauen im Rap“. Ein Satz, der zum Glück ausgedient hat, sowohl in den USA als auch in Europa. Vor allem in Italien, wo die Zeiten, in denen man die Femcees an einer Hand abzählen konnte (die bekannteste in den Neunzigern war die Vorreiterin La Pina, später die Hardcore-Rapperin Loop Loona und der inzwischen etablierte Popstar Baby K), lange vorbei sind. Heute sind die Akteurinnen überall am Start – und bekommen endlich ihren wohlverdienten Platz neben ihren männlichen Kollegen.

Bemerkenswert ist die 19-jährige Madame aus Vicenza, die 2021 mit ihrem gleichnamigen Debütalbum auf Platz 4 der Spotify-Charts landete und auf einer großen Leinwand am Times Square als italienische Vertreterin für die Gleichberechtigung in der Musik gefeiert wurde. „Sciccherie“ und „17“ (in dem sie behauptet: „Man muss sich der Röcke entledigen, damit Rap-Musik Männer anspricht“) waren ihre ersten Singles, die ihre raffinierte Mischung aus Trap, Rap und neomelodischer Musik dem italienischen Publikum präsentierten. Und mit „Voce“, einem mehrfach preisgekrönten Track über eine schwierige Liebesgeschichte, wurde sie beim Sanremo Festival 2021 zum Gesprächsthema.

Das Ansehen von Madame als weibliche Urban-Künstlerin ist in Italien nach wie vor unerreicht. Und doch haben in den letzten Jahren zwei andere Künstlerinnen, beide aus Turin und mit einer entschiedenen „Bad-Girl“-Attitüde, die nationale Rap-Szene dominiert. Die kontroverse Chadia Rodriguez ebnete 2019 mit der EP „Avere 20 anni“ und der Gold-Single „Fumo Bianco“ mit „expliziten Texten“ den Weg für den italienischen Female Trap. Um sich dann mit „Bella così“ (quasi Christina Aguileras „Beautiful“ 2.0.) und sanfteren Lyrics für das Empowerment der Frauen einzusetzen. Auch ihre „Rivalin“ Beba beschäftigt sich seit 2016 in Zusammenarbeit mit der Produzentin Rossella Essence mit Themen wie Selbstvertrauen („Grizzly“, „Tonica“) oder toxischen Beziehungen („Narciso“).

Ein weiteres beeindruckendes Beispiel ist Anna aus La Spezia. Mit nur 16 Jahren war sie die jüngste Künstlerin, die die italienischen Single-Charts mit ihrem hypnotischen 4/4-Track „Bando“ anführte: 500.000 Aufrufe innerhalb von 24 Stunden auf TikTok sprechen Bände. Der Flow dieser Teenager-Sensation wurde mit dem von M¥SS KETA verglichen, der mysteriösen maskierten Diva aus Mailand, die 2020 sogar in der New York Times porträtiert wurde. KETA möchte nicht als Rapperin bezeichnet werden, hat sich aber mit einer Mischung aus Rapcore, Trap, House und Elektropop einen Namen gemacht. Und wirft mit ihren schillernden Texten einen ironischen Blick auf die vergängliche Welt des Nachtlebens der lombardischen Hauptstadt. In ihrem Manifest „Le ragazze di Porta Venezia“ ist unter anderem die Trapperin Priestess aus Apulien zu hören, die 2017 mit dem Weed-Song „Maria Antonietta“ auf sich aufmerksam machte und deren Geschichte in dem Kurzfilm „The 4th Wave“ erzählt wird.

Die Liste der italienischen Femcees ist noch viel länger und erstreckt sich über den gesamten Stiefel der Nation. Von den eher Pop-orientierten Roshelle (Lombardei) und Luna (Sardinien) über Rapperinnen, die versuchen, „real“ zu bleiben, wie Vaitea (Lombardei), Leslie (Abruzzen) und Eva Rea (Sizilien), bis hin zur theatralischen, zungenbrecherischen Performerin Comagatte (Apulien). Nicht zu vergessen Doll Kill (Sardinien), der Puncherin, die sich ihren inneren Dämonen stellt, und – last but not least – conscious Rapperinnen wie Mc Nill (Umbrien), einer Aktivistin für die Rechte der LGBTQ+-Community. Und natürlich BigMama (Kampanien), die in ihrem Song „Too Much“ Body Shaming und Gleichberechtigung thematisiert. Mit so vielen talentierten Künstlerinnen mit ebenso vielen und unterschiedlichen Begabungen in Flow und Themen erleben wir italienischen HipHop in Hochform. Und wünschen uns, dass dies als Inspiration dient, noch besser zu werden.