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Irland kickt die Sperrstunde für Clubs. Verändert das auch die irische Musik?

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<strong>Irland kickt die Sperrstunde für Clubs. Verändert das auch die irische Musik?</strong>

Irlands Hauptstadt Dublin ist berühmt für ihre Pubs. Was viele, die nicht in Irland leben, vielleicht nicht wissen, ist, dass die Pubs auch deshalb so florieren, weil es einfach an angemessenen Alternativen zum Nachtleben fehlt. Mit einer Sperrstunde für Clubs um spätestens 02:30 Uhr macht Pubbing mehr Sinn als ein – für europäische Verhältnisse – sehr frühabendliches Clubbing.

Das wird sich nun ändern. Eine neue Gesetzgebung sieht vor, dass die Sperrstunde künftig erst um 6 Uhr morgens greift. Der amtierende Ministerpräsident Leo Varadker sagt dazu: „Ich sehe nicht ein, warum das Nachtleben in Irland nicht so gut sein sollte wie überall auf der Welt.“ Die Liberalisierung steht schon seit einiger Zeit auf der Tagesordnung, und Kampagnengruppen wie „Give Us The Night“ setzen sich als Interessenvertreter:innen der Branche seit 2019 mit Nachdruck für solche Änderungen ein.

Das ist wirklich überfällig“, meint der Dubliner Musiker und DJ Kormac. „Ich begann meine Karriere als Warm-up-DJ für internationale Gäste. Es wird viel mehr Möglichkeiten geben für andere, neuere Künstler:innen, es in das Line-up zu schaffen. Und es wird nicht mehr ausschließlich um die Peak Time gehen. Die Zeit zwischen fünf und sechs Uhr morgens zu bespielen, ist eine Kunst für sich. Es wird den Leuten helfen, an ihren tatsächlichen Skills zu arbeiten. Und ermöglicht unterschiedliche Musik, die eben nicht auf die Peak Time zugeschnitten ist. Um 5 Uhr morgens ist der Vide eben ein anderer als um 1 oder 2 Uhr.

Der letzte Punkt von Kormac ist aus musikalischer Sicht gesehen der Kern des Situation: Mehr Zeit im Nachtleben bedeutet mehr – und andere – Musik. Der Stil einer Musikszene wird letztendlich stark von den Rahmenbedingungen beeinflusst, die sie anbieten kann. Berlin, Ibiza oder die baltischen Staaten zeigen: Wenn das Clubbing floriert, floriert auch die Musik, die in den Clubs gespielt wird.

Die irische Musikszene wird oft als überdurchschnittlich stark beschrieben – mit weltweit erfolgreichen Bands und Projekten wie Dermot Kennedy, Hozier, Fontaines D.C. und Inhaler, und das bei einer Bevölkerung von nur 5 Millionen. Dass es gleichzeitig keine große Dance-Szene gibt, ist schon auffällig.

Techno-Superstar Richie Hawtin beschrieb Ibiza einmal als „Einladung zur Flucht für die Menschen, um sich von ihrer eigenen Realität zu isolieren und ein alternatives Universum mit fiktiven Erfahrungen zu betreten. Ein schwarzes Loch in der Mitte der Welt, wo alles möglich ist“. Dies alles schließt – auch durch das Feeling der Musik zu später oder früher Stunde – einen ganz eigenen Stil mit ein. 

In Berlin, bekannt für seine Clubs wie das legendäre Berghain, sind nach Angaben des Business Location Center der Stadt 1.000 Bands und 1.200 DJs aktiv. Pro Kopf kann Dublin – was die Bands betrifft – zweifelsfrei mit Berlin mithalten, bei DJs liegt es doch meilenweit zurück. Kurz: ein offensichtlicher Raum für Entwicklung.

Das wird noch etwas dauern. Perspektivisch jedoch „müssen“ irische Clubber:innen ab 2023 nicht mehr nach Berlin, Rotterdam und Belfast flüchten, um sich ins echte Nightlife stürzen zu können. Super-Clubs werden wohl nicht über Nacht entstehen, ebenso wenig wie eine Szene, die mit Ibiza oder Berlin vergleichbar wäre. Aber mehr Möglichkeiten für lokale Acts wie Bicep und Abbacaxi zu Hause aufzutreten, kombiniert mit all dem, was sie bei ihren weltweiten Gigs lieben und schätzen gelernt haben.  

Der Wandel ist in Sicht. Die irische Szene wartet sehnsüchtig auf ihre eigenen Heldinnen und Helden.