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Auf Tour durch Europa mit Bipolar Feminin und Ada Oda

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Auf Tour durch Europa mit Bipolar Feminin und Ada Oda

Alina Brandstötter: Am 17. und 18. November findet im WUK das Europavox Festival statt. Um herauszufinden, worum es dabei geht und wie es eigentlich ist, international unterwegs zu sein und Musik zu machen, treffe ich heute die beiden Bands Ada Oda und Bipolar Feminin.

ITW Ada Oda Bipolar Large Image

Danke, dass ihr hier seid! Fangen wir mit Ada Oda an. Wer seid ihr und was macht ihr für Musik?

Victoria Barracato: Hallo, mein Name ist Victoria. Ich bin die Sängerin von Ada Oda. César ist der Gitarrist und Produzent der Band. Wir sind eine Band aus Belgien und spielen italienische Rockmusik.

Darauf komme ich gleich noch zurück! Aber zuerst würde ich gern noch etwas über Bipolar Feminin hören.

Leni Ulrich: Hallo, ich heiße Leni. Ich bin die Sängerin und Gitarristin von Bipolar Feminin. Mit mir sind noch Max, Samu und Jakob hier. Wir machen Rockmusik mit Punk- und ein paar Pop-Einflüssen.

Welche Motive und Themen beschreibt ihr in eurer Musik? Was ist euch wichtig?

Leni: In unserer Musik geht es um die Dinge, die uns umgeben. Es geht um die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, es ist eine feministische und antikapitalistische Sicht auf das Leben. Wir versuchen, einen Weg zu finden, mit den Mühen in unserem Leben umzugehen.

César Laloux: Ähnlich wie Bipolar Feminin sprechen auch wir über die Dinge, die uns umgeben, über unsere Probleme und Situationen. Und über die Menschen um uns herum, mit denen wir nicht immer einer Meinung sind. Es ist auch antikapitalistisch und manchmal feministisch.

Warum ist es für eure beiden Bands wichtig, über Antikapitalismus, Feminismus und soziale Themen zu schreiben?

Leni: Wir schreiben darüber, weil es uns stört. Wir haben das Gefühl, dass es unser Leben schlechter macht. Es schafft große Unterschiede zwischen Menschen, es diskriminiert Menschen und es ist einfach scheiße. Wir haben eine feministische Haltung, weil sie uns wichtig ist. Für uns ist das die einzige Möglichkeit zu leben und gut miteinander auszukommen. Für mich bedeutet Feminismus einfach, dass wir aufeinander aufpassen und die Unterschiede zwischen uns klein halten. Und der Kapitalismus ist einfach schlecht für die Welt. Das ist frustrierend. Und deshalb ist es Teil unserer Musik, weil wir frustriert sind und darüber reden wollen. Und vielleicht ändert sich dadurch etwas, oder zumindest die Sichtweise einiger Leute.


Victoria: Unsere Texte handeln von einer Krise, in der wir damals steckten, weil wir fast 30 Jahre alt waren. Als Künstler_innen hatten wir ein ganz anderes Leben als unsere Freund_innen oder als das, was die Gesellschaft von uns erwartete. Wir schrieben darüber, dass wir in einer anderen Situation waren, wir schrieben auch viel über die Liebe. Wir hatten zu der Zeit wirklich schlechte Beziehungen.

César: Ich glaube, bei Ada Oda geht es weniger um einen politischen Standpunkt als bei Bipolar Feminin. Wir sprechen darüber eher in Bezug auf bestimmte Situationen zwischen uns und anderen Leuten – Jungs, die zu viel reden oder Leute, die nicht verstehen, wie es ist, Künstler_in zu sein, und uns fragen: „Warum sucht ihr euch nicht einen normalen Job?“

Victoria: Wir erfüllen nicht alle Kriterien, die von uns erwartet werden, wie zum Beispiel Kinder und ein Haus zu haben. Also schreiben wir viel darüber, dass wir anders sind und uns damit wohl fühlen.

Bei der Vorbereitung auf dieses Interview ist mir aufgefallen, wie und in welcher Sprache eure Texte geschrieben sind. Bipolar Feminin, ihr lebt in Österreich, ihr sprecht Deutsch und singt auch auf Deutsch. Ada Oda, ihr kommt aus Belgien und singt auf Italienisch. Warum nicht Englisch? Warum ist das für euch wichtig und wie sieht euer Schreibprozess aus?

Leni: Ich singe auf Deutsch, weil das die Sprache ist, in der ich die meisten Wörter kenne. Es ist die Sprache, die ich am öftesten spreche, also war es am einfachsten, damit anzufangen. Manchmal mag ich den harten Klang einiger deutscher Wörter. Und ich kenne auch mehr Wortspiele auf Deutsch, die ich gerne in meinen Texten verwende. Meistens denke ich über einige Wörter oder Sätze nach, oder ich höre etwas und schreibe es dann auf. Oder wenn ich mich sehr überfordert fühle, hilft mir der Schreibprozess manchmal, besser mit den Dingen umzugehen oder über Dinge nachzudenken.

Fällt euch das Schreiben auf Deutsch leichter?

Leni: Für mich ist es leichter, weil es meine Muttersprache ist. Im Englischen ist es manchmal möglich, Dinge charmanter auszudrücken. Auf Deutsch bin ich oft sehr direkt. Wenn es Englisch wäre, würde es vielleicht einen Twist geben.

Victoria: Für uns ist es einfacher, Italienisch zu verwenden, obwohl es nicht unsere Muttersprache ist, weil wir über wirklich intime Dinge reden können, ohne unsere Sprache in unserem Land zu benutzen. Ich weiß nicht warum, aber das macht es einfacher. Wir haben uns für Italienisch entschieden, weil ich zur Hälfte Italienerin bin. César hatte schon eine Rockband auf Englisch und Französisch und wollte etwas anderes machen. Ich bin zur Hälfte Italienerin, also ist mein Italienisch nicht perfekt. Es war lustig, in einer anderen Sprache zu schreiben und Sätze zu verwenden, die für Italiener_innen wirklich seltsam klingen. Zuerst dachten wir, dass es ihnen nicht gefallen oder sie es nicht verstehen würden. Aber in Wirklichkeit haben sie sich sehr gefreut, eine andere Art zu hören, Wörter in ihrer Sprache zu formulieren. Deshalb touren wir jetzt auch ein bisschen durch Italien.

Was ist die Reaktion, wenn du Italienisch sprichst?

Victoria: Denjenigen, die kein Italienisch können, versuche ich einfach ein Gefühl zu vermitteln. Sie können dann ihre Fantasie benutzen, um sich eine dazu passende Geschichte auszudenken. In Italien finden sie mein Italienisch „exotisch“. Sie versuchen herauszufinden, wo ich herkomme. Meistens halten sie mich für eine Polin, und ich weiß nicht, warum, denn mein Akzent ist eigentlich französisch. Wir verwenden Wörter, die sie aus der italienischen Popmusik nicht kennen, und das gefällt ihnen sehr.

Ich würde gerne mehr über das internationale Touren sprechen. Was bedeutet es für eine Band, in ganz Europa zu touren und nicht nur im eigenen Land? Und was haltet ihr von Europavox?

Leni: Wir sind im Moment gerade auf Tour, gestern haben wir in Frankfurt gespielt. Es ist sehr gut, aus unserer sicheren Umgebung herauszukommen. Wenn wir in andere Städte kommen, ist das eine neue Erfahrung und eine ganz andere Motivation für uns. Wir wissen nicht, wie viele Leute kommen, ob sie uns überhaupt kennen, woher sie von uns gehört haben. Darum denken wir uns: “Jetzt spielen wir für sie die besten Konzerte!” Das Publikum verhält sich ganz unterschiedlich. Manchmal spielen wir in Städten, in denen ich das Gefühl habe, dass die Leute etwas zurückhaltender sind, und man weiß nie: Ist es, weil es ihnen gerade nicht gefällt, oder ist es ganz normal? Es ist auf jeden Fall gut, die Heimat zu verlassen, um sich weiterzuentwickeln, als Band zu wachsen und zu lernen. Wir mögen es auch sehr, neue Leute zu treffen, neue Orte zu sehen und auf verschiedenen Bühnen zu spielen. Jede Bühne und jeder Sound ist so anders, das hilft uns, als Band zu lernen. Und es hilft uns, miteinander zu kommunizieren. Aber wir haben bisher nur in deutschsprachigen Gegenden gespielt. Wir haben zwar in Italien gespielt, aber das war in Südtirol und dort haben sie auch Deutsch gesprochen. Das wäre also eine neue Erfahrung für uns, die wir hoffentlich noch machen werden. Europavox ist eine gute Sache, weil es Leute aus ganz Europa verbindet und Bands in verschiedene Länder bringt.

César: Genau wie für Bipolar Feminin war es von Anfang an unser Ziel, so schnell wie möglich im Ausland zu spielen, denn Belgien ist ein kleines Land. Europavox ist sehr gut für uns. Wir haben Angebote aus Österreich, Kroatien, Rumänien und Litauen bekommen. Das sind Länder, von denen wir bei der Planung nicht erwartet hatten, dort zu spielen. Ich denke, es hilft uns wirklich, schneller in verschiedenen Ländern in Europa zu spielen.

Victoria: Dank Europavox hatten wir auch die Möglichkeit, andere Bands zu entdecken. Das sind neue Perspektiven für uns. Wir sind sehr glücklich, Teil davon zu sein.

Seid ihr zum ersten Mal in Wien beziehungsweise im WUK?

Victoria: Wir haben heuer schon beim Waves Festival gespielt. Wir freuen uns sehr, wieder hierher zu kommen, weil es eine wirklich kurze Reise war.

Leni: Wir haben schon einmal im WUK und schon öfter in Wien gespielt. Ich bin gespannt, wie es sein wird. Es kommen so viele verschiedene Bands zum Europavox Festival. Wir fühlen uns wohl, wir kennen das WUK, wir kennen einige Leute, die dort arbeiten, wir können zu Hause schlafen. Vielleicht sind wir weniger nervös, vielleicht sind wir sogar nervöser. Ich freue mich auch auf die anderen Bands.

Max Ulrich: Es ist ein bisschen komisch, Teil eines europäischen Projekts zu sein, aber in unserer Heimatstadt. Aber es ist trotzdem interessant, mit Leuten aus anderen Ländern zusammen zu sein.

Leni: Und manchmal ist es gut, an einem Ort zu bleiben und Leute aus anderen Orten zu treffen. Wir können ihnen die Stadt zeigen!

César: Werdet ihr über Europavox auch in anderen Ländern spielen?

Leni: Da ist noch nichts geplant, aber wir sind offen dafür!

Max: Wir werden unser Bestes geben!

César: Ich kenne Leute in Belgien, also…

Leni: Ja, wir würden sehr gerne in Belgien spielen! Vernetzt uns! Wie ein Austauschprogramm…

Habt ihr das Gefühl, dass es durch das Internet leichter geworden ist, international zu spielen, oder findet ihr es schwieriger? Wie knüpft ihr Kontakte zu Musiker_innen in Europa?

Leni: Der Austausch über Social Media ist super einfach, das machen wir immer, wenn wir mit anderen Bands spielen. Das ist ein sehr guter Weg, um miteinander in Kontakt zu bleiben.

Victoria: Für uns ist es sehr hilfreich. Wir haben viele Künstler_innen kennengelernt, mit denen wir Ideen auf Instagram teilen. Wir versuchen auch, mit anderen Künstler_innen zusammenzuarbeiten. In Italien haben wir einige unabhängige Musiker_innen getroffen und vielleicht werden wir zusammenarbeiten. Außerdem motivieren wir uns gegenseitig und schicken uns viele Nachrichten. César ist auch Booker und hilft anderen Bands, in Belgien zu spielen.

César: Ich wollte Leni fragen: Wie ist die Situation für Künstler_innen in Österreich? Bekommen sie Geld vom Staat? Oder ist man gezwungen, einen Teilzeitjob zu haben und nebenbei Musik zu machen?

Leni: Ich bekomme Geld vom Arbeitsmarktservice. Die haben einen Künstler_innenservice. Meine Bandkollegen haben Teilzeitjobs. Aber dieses Programm endet für mich in ein paar Monaten, also muss ich dann wieder arbeiten. Es gibt auch einige andere Finanzierungsmöglichkeiten. Wir bekommen zum Beispiel Geld vom Staat für unser Album. Wir haben auch ein bisschen Toursupport für die Produktion bekommen. Man muss sich aber dafür bewerben und nicht alle bekommen es. Ich finde, es sollten mehr Musiker_innen bekommen. Aber es ist ein Anfang. Wie sieht es in Belgien aus?

César: In Belgien ist die Situation sehr angenehm, weil wir auch Geld bekommen, so wie ihr, aber für einen längeren Zeitraum. Wir müssen alle drei Jahre nachweisen, dass wir immer noch Künstler_innen sind, und dann bekommen wir jeden Monat Geld wie ein Gehalt. Und wir bekommen auch Geld für Aufnahmen, Promotion und Reisen. Ich habe das Gefühl, dass es uns sehr gut geht. Es gibt uns die nötige Zeit, etwas zu entwickeln. Wir fühlen uns ziemlich glücklich.