Sie kamen aus allen Ecken des Kontinents, sie spielten Klavier, Schlagzeug, Gitarre. Sie sangen und brachten das Publikum zum Träumen oder Tanzen. Beim zweitägigen Europavox-Festival – powered by INmusic – in Zagreb (Kroatiens größtes und ältestes Open-Air-Musikfestival) verkörperten sieben Bands im Club Močvara die raison d’être von Europavox: musikalische Entdeckungen aus ganz Europa zu ermöglichen. Während einige für ihre Performance praktisch nur die Straße überqueren mussten (die lokale Indie-Pop-Heldin Bad Daughter beispielsweise), konnten einige sozusagen zu ihren Wurzeln zurückkehren (das slowenisch-kroatische Soul-Duo freekind.). Andere wiederum nahmen eine etwas weitere Reise auf sich nehmen mussten, so wie die in Österreich geborene und in London lebende Anna F. von der Alt-Rock-Band Friedberg, dem letzten Acts des ersten Festival-Tages, bei dem Gitarren und ausschließlich Frontfrauen im Mittelpunkt standen. Am zweiten Tag spielten a/lpaca, Šajzerbiterlemon, Bandit Bandit und Theodore aus Italien, Serbien, Frankreich und Griechenland – und präsentierten ganz unterschiedliche Visionen von Post-Punk, Stoner Rock und Post-Rock. Das Festival war ein buntes Kaleidoskop europäischer Länder und ganz unterschiedlicher ästhetischen Ansätzen. Diversität ist und bleibt eine der tragenden Säulen des Europavox-Projekts.
Von Karate-Tatamis zu Europavox-Stages
Das schon erwähnte Neo-Soul-Duo freekind. kennt dieses Ethos nur zu gut. Die Show in Zagreb war – nach ihrem Gig in Clermont-Ferrand in diesem Sommer – bereits ihr zweiter Beitrag zu diesem Projekt: „Das war für uns enorm wichtig. Als unser Agent uns sagte, dass es klappen könnte, schrieb ich an die Wand meines Zimmers: Let’s go to France. Jeden Morgen wachte ich mit dieser Nachricht auf. Und: Es passierte tatsächlich!“, erinnert sich Nina, die Drummerin. Die Band war auch deshalb so begeistert der Zagreb-Show, da sie bisher noch nicht oft die Gelegenheit hatten, in der Heimatstadt von Sängerin Sara zu performen. Eine gelungene Art und Weise, ein sehr arbeitsreiches Jahr zu beenden, mit „Nonstop-Tourneen und keine Zeit für Urlaub“, erklärten sie. „Jetzt müssen wir unser erstes Album zu Ende bringen, das im Frühjahr 2023 erscheinen wird.“
Auch wenn es „nur“ ihr Debüt-Album ist: Die beiden Musikerinnen von Freekind sind keineswegs Anfängerinnen. Wenn sie live spielen, ist ihre Virtuosität offensichtlich, auch wenn es für Nina noch irgendwie neu anfühlt. „Ich bin noch nicht so lange am Schlagzeug. Als ich jung war, drehte sich alles nur um Sport“, meint sie. Sie war Fußballspielerin und slowenische Karatemeisterin. „Ich erhielt den schwarzen Gürtel und Goldmedaillen und träumte von den Olympischen Spielen.“ Aber irgendwie hatte sie das Gefühl, viel zu lange warten zu müssen, um an den ersten Olympischen Spielen 2020 teilnehmen zu können, die auch Karate umfassten. Also fing sie stattdessen an, Drums zu spielen, und der Rest ist Geschichte.
Foto : Patrick Muennich
Der griechische Multiinstrumentalist Theodore Polychronopoulos hatte eine eher traditionelle musikalische Erziehung: Er wurde in klassischer Komposition ausgebildet und wechselte dann nach Abschluss der Musikakademie zu zeitgenössischen Genres. „Ich habe nicht studiert, um ein klassischer Musiker zu werden. Ich wollte immer alles auf meine Art machen und das spielen, worauf ich auch wirklich Lust hatte. Aber Klassik und Filmmusik inspirieren einen wesentlichen Teil der Musik, die ich im Moment spiele.“ Für sein aktuelles Album „The Voyage“ komponierte Theodore eine höchst spannende Fusion aus Post-Symphonischem Rock und Synthwave, mit Lyrics, die sich an antiken griechischen Philosophen inspirieren.
Wie geht es bei ihm weiter? „Die Album-Remixe des britischen Elektronik-Künstlers Max Cooper werden sehr bald erscheinen“, sagt er. „Ich arbeite auch an einem weiteren Solo-Album, das voller Synthesizer sein wird, mit mehr Ambient-Stücken, ohne Lyrics. In der Zwischenzeit habe ich viele Gigs.“ Europavox-Events haben dieses Jahr geprägt. „Ich habe im Frühsommer in Bologna und Clermont-Ferrand gespielt, und jetzt bin ich wieder zurück für die Festivals in Zagreb und Wien. Es ist toll, für ein unterschiedliches Publikum zu spielen und Künstler*innen mit unterschiedlichen Backgrounds zu treffen. Außerdem hat Europavox einen ausgezeichneten griechischen Koordinator, Maro Angelopoulou, der einen hervorragenden Job macht, um griechische Musik im übrigen Europa bekannt zu machen.“
Die französischen Psych-Rocker Bandit Bandit kamen nur wenige Wochen nach ihrer großartigen Show in Paris im Vorprogramm von Muse zum Europavox-Festival in Zagreb. Weit weg von zu Hause waren Frontfrau Maëva Nicolas und Frontmann Hugo Herleman neugierig, wie das kroatische Publikum auf ihre Lyrics reagieren würde. Ihre letzte EP „Tachycardie„, ist hauptsächlich auf Französisch, und auch auf dem für das kommende Jahr angedachte Debüt-Album soll französisch gesungen werden. „Wir lieben Poesie, und deshalb schreiben wir unsere Tracks auch auf Französisch“, meinen sie. „Lyrics können genauso wirkungsvoll sein wie die Musik. In Frankreich singen die älteren Rock & Roll-Bands stets auf Englisch, so dass selbst die Leute zu Hause immer ziemlich überrascht sind, dass wir auf Französisch singen„. Der Trip nach Zagreb war das Warm-up für die Europatournee von Bandit Bandit, die diverse Auftritte in Deutschland, der Schweiz, Belgien und den Niederlanden beinhaltete. Es war aber auch ihr erster Auftritt als Teil des Europavox-Projekts. Der Beginn eines neuen Abenteuers für die beiden Psychedelic-Bandits. Freekind und Theodore packen derweil bereits ihre Gitarren und Synthesizer ein, um nach Wien zu reisen. Um ihre leidenschaftlichen Songs einem weiteren Europavox-Publikum zu präsentieren.