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Fusion:  Ohne Grenzen wird die Zukunft besser

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Fusion:  Ohne Grenzen wird die Zukunft besser

In den vergangenen Jahren haben europäische Künstler*innen einen vollkommen neuen und unverwechselbaren Sound entwickelt – mit Alben und Tracks, die sich rund um das Thema Edit drehen. In der elektronischen Musik ist der Edit schon lange Thema, Mash-ups bringen verschiedene Musikstile zusammen. So entsteht etwas Neues. Etwas Aufregendes.

Kultur ist immer divers, alle anderen Herangehensweisen sind Quatsch. A beeinflusst B und C schließlich D. Wir leben in einer vernetzten Welt – und das war schon immer so. Menschen begegnen sich, tauschen sich aus. Auf diese Weise entwickelt sich Kultur immer weiter. Nennen wir es Fusion. Egal was für Styles sich so subsumieren lassen: Es geht um eine Melange, eine Vermischung – spürbar und gewollt.

Künstler*innen, die so unterwegs sind, helfen uns dabei, über die Zukunft der Musik nachzudenken. Wie sie gemacht wird, Trends und Szenen prägt und Genregrenzen auflöst. Die Vergangenheit – das Erbe – der Genres und Traditionen spielt dabei eine entscheidende Rolle. Der Trick besteht darin, musikalische Trends mit dem Altbekannten zu kombinieren und die Grenzen des bisher Dagewesenen Grenzen sein zu lassen. Sie sind unwichtig. Es geht um die Begeisterung für Musik. Herkunft? Vollkommen egal. Die Menschen danken es den Produzent*innen. Auf den Festivals ist diese Art der Musik mittlerweile eine gewachsene Größe. Alles geht. Das passt ohnehin gut in unsere „Alles-passt-zu-allem“-Ära.

In Griechenland, den Balkanländern und Osteuropa gibt es Musiker*innen, die in diesem Bereich innovativ sind, mit traditionellen und zeitgenössischen Klängen experimentieren und an einem Vermächtnis für sich und ihre Community arbeiten. Griechischer Jazz mischt sich im italienischen Radio mit kleinasiatischen Rhythmen; ukrainischer Pop-Folk in einer polnischen Bar; in Bukarest wird bulgarischer Elektro-Funk produziert. Für Länder, die sich einst im Krieg befanden oder unter extremen sozio-politischen Turbulenzen litten, birgt ein solcher musikalischer Austausch Hoffnung für die Zukunft der grenzüberschreitenden Kultur.

Griechenland befindet sich an der Schnittstelle zwischen Ost und West, sowohl musikalisch als auch geografisch. Seit den 70er-Jahren haben dort zahlreiche Künstler*innenStile vermischt und mit verschiedenen Klängen experimentiert, angefangen beim Jazz. Der bekannteste Jazz-Fusion-Musiker Griechenlands ist heute 95 Jahre alt. Die Diskografie von Mimis Plessas ist episch: 111 Soundtracks, die ausnahmslos alle Genres abdecken und eine Vielzahl an Sounds und Stilrichtungen vereinen. Der griechische Komponist Iannis Xenakis war zunächst Architekt und widmete sich dann der Musik, konkret: mit der traditionellen griechischen Musik, wobei er auch die mathematische Spieltheorie unter Verwendung des Klangs von Blasinstrumenten anwandte. Eine ganze Generation von Komponist*innen ließ sich von den unerwarteten Verschmelzungen von xenakischen Fragmenten, klassischen Kompositionen und elektronischen Klängen inspirieren. Kyriakos Sfetsas, ein international gefeierter Komponist für symphonische, elektronische und Jazz-Musik, gründete 1976 das Greek Fusion Orchestra – sein Weg, um die Grenzen der traditionellen griechischen Musik zu erweitern. 

Fusion ist fordernd – macht aber auch Freude. Die transformative Kraft belegt ihre Einflussmöglichkeiten. Nehmen wir zum Beispiel Mode Plagal, die zeitgenössische griechische Jazz-Folk-Fusion-Gruppe, mit einzigartigem Zugang zu traditioneller Musik und unverwechselbarem Sound, der sich aus Rembetiko (dem griechischen Rhythm n‘ Blues) und der Musik des Balkans, Thrakiens, Kleinasiens etc. Der in Athen lebende Musiker und Produzent Blend Mishkin verschmilzt schon seit Jahren Rhythmen und Sounds. Seine neue Veröffentlichung „Egyptian Love“ liefert einen arabischen Jazz-meets-Jamaika-Ska-Sound, gespickt mit psychedelischen Vibes und andalusischen Klängen. Marina Satti verbindet ihr griechisch-sudanesisches Erbe mit ihrem musikalischen Hintergrund im Jazz und bringt griechische, balkanische und nahöstliche Klänge mit Gypsy-Punk, Pop und Elektronik in neue Sphären. Ihr neuester Track „Yiati Pouli M“ („Warum, mein kleiner Vogel?“) basiert auf einem traditionellen Lied und handelt vom Verlust der eigenen Wurzeln.

Wurzeln. Das Schlüsselwort von Fusion.

Die Musik der Balkanländer, Osteuropas und der Kaukasusregion ist so vielfältig wie die Geografie. Aus diesen Ländern kommen neue Stimmen, die wertvolle Traditionen bewahren und gleichzeitig der Musik ermöglichen, sich auf neue und unerwartete Weise weiterzuentwickeln.Balkan Taksim ist ein rumänisches Projekt, bei dem die psychedelische Verschmelzung von TripHop-Elektronik und osteuropäischen Folk-Traditionen im Mittelpunkt steht. Go_A, gegründet 2012, ist eine der wichtigsten Gruppen der ukrainischen Elektro-Folk-Szene. Und Alina Pash ist eine hundertprozentige Bitanga (ruthenischer Dialekt für „Hooligan“), die Pop, Electronica, HipHop und Folk miteinander verbindet. Sie wurde in einem kleinen ukrainischen Dorf geboren und wuchs mit den archaischen Traditionen der Kaparten auf, die sie zu einem unabhängigen Geist mit tiefen kulturellen Wurzeln machten.

Die Liste der Beispiele ist endlos.

Sound of Thieves, aus Zypern, bieten einen entspannten Mix aus Fusion, Funk und Alt-Rock; Rosalia aus Portugal fasziniert die Welt mit ihrer kraftvollen Mischung aus traditionellem Flamenco, Trap und R&B. Vor kurzem hat sie mit dem Experimental-Musiker Oneohtrix Point Never zusammengearbeitet. Takeshi’s Cashew aus Österreich loten die Grenzen von Clubkultur, 70er-Jahre-Psychedelik und Weltmusik aus. Fugu Mango aus Belgien mischen Pop mit afrikanischem Puls und Ambient. Priya Ragu, eine schweizerisch-tamilische Künstlerin, bietet eine südindische R&B-Fusion, die sich wie ein frischer Wind anfühlt; der schwedische Künstler Gnučči (ursprünglich aus Serbien) mischt Pop, Dancehall, elektronische und Balkan-Rhythmen. Und  Ladaniva ist eine armenische Band mit fröhlichem Sound – mit Wurzeln in der ganzen Welt.

Egal wie innovativ sie sein mag, Fusion kann auch eine heikle Angelegenheit sein. Natürlich ist es verlockend, zu viel zu tun, verschiedene Klänge auf eine oberflächliche Weise zu kombinieren. Es ist ein schmaler Grat zwischen der Schaffung eines musikalischen Hybrids und Kulturtourismus. Ein klarer Blick ist unerlässlich, um verschiedene Stile zu mischen, ohne dass es zu Unstimmigkeiten kommt. Eine Horde von Blechblasinstrumenten, Synthesizern und eine Mischung aus Folk und ungewöhnlichen Orgeln zu besitzen, ist großartig, aber es macht einen nicht multikulturell. Du brauchst eine Geschichte, die du erzählen kannst. Und die Welt wird immer nach etwas Neuem und Anderem suchen.

Dieser Beitrag ist Teil einer neuen Europavox-Reihe über Fusion-Musik. Die Serie wird regelmäßig fortgesetzt.